Bildungsmaßnahmen für Zuwanderer

 


südost Europa Kultur e.V.

Bildungsmaßnahmen für junge Zuwanderer und Flüchtlinge

Fast jeder fünfte Einwohner Deutschlands und jedes dritte Kind unter sechs Jahren kommt aus einer Zuwandererfamilie. Obwohl gerade sie zunächst überdurchschnittlich motiviert sind, eine Ausbildung aufzunehmen und einen Beruf zu erlernen, erreicht im Vergleich zur gleichaltrigen Deutschen nur ein viel geringerer Teil dieses Ziel.

Der Migrationshintergrund führt in allen Stufen des deutschen Schulsystems zu Benachteiligungen: Jugendliche sind auch bei gleichem Sozialstatus seltener auf dem Gymnasium und häufiger in den niedriger qualifizierenden Schularten. Die Zahl der Schul- und AusbildungsabbrecherInnen ist bei den Zuwanderern und Flüchtlingen besonders hoch.

Gelungene Bildungspolitik ist der Garant für die Integration. Sie nimmt bei der Integration eine Schlüsselfunktion ein, sie entscheidet, ob die Integration nachhaltig gelingen wird. Um die Ausbildungschancen der Migrantenkinder und Jugendlichen zu erhöhen und eine Gleichberechtigung mit der angestammten Bevölkerung zu erreichen, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden:

 

Bildungserschwerende Hintergründe:

•Der unsichere Aufenthaltsstatus bei den Flüchtlingsfamilien, die Duldung und Kettenduldungen, die Gefahr, abgeschoben zu werden, das Leben ohne Arbeitserlaubnis wirken demotivierend. Kinder und Jugendliche werden sogar aus einer laufenden Maßnahme oder Ausbildung abgeschoben.

• Viele Migrantenkinder besuchen keinen Kindergarten, nur zehn Prozent besuchen später eine weiterführende Schule. Vor allem Mädchen beenden vorzeitig die Schule, weil sie von ihren Familien früh verheiratet werden.

• Viele Migrantenkinder landen in Sonderschulen allein deshalb, weil sie in ihrem Alltag nicht die Begriffe lernen, die in den Schultests abgefragt werden.

• Einige Neu-Zuwanderer haben kein Einkommen und keinen ausreichenden Wohnraum. Sie müssen täglich kämpfen, um ihre Existenz abzusichern. Komplizierte Sozialverhältnisse in einigen Familien beeinflussen negativ die Lernleistungen der Kinder. Menschen leben beengt, es gibt keine Ruhe und keinen Rückzugsort zum Lernen.

• Einige Zuwanderer und Flüchtlinge waren in ihren Herkunftsländern schweren traumatischen Erfahrungen ausgesetzt. Sie leiden an Ängsten und Aggressionen.

• Einige Eltern sind Analphabeten, sie gehören einer diskriminierten Minderheit an und haben früh schulische Diskriminierungserfahrungen gesammelt. Sie hatten unregelmäßig die Schule besucht und gingen nur wenige Jahre zur Grundschule. Bei ihnen bestehen Schwellenängste.

• Einige Zuwanderer und Flüchtlinge kommen aus ländlichen Regionen, wo die Qualität der Bildung allgemein sehr bescheiden ist. Vielen Eltern muss der Wert eines regelmäßigen Schulbesuchs erst vermittelt werden. Obwohl die Eltern wollen, dass es ihren Kindern besser geht, wissen sie nicht, wie sie es erreichen sollen, da ihnen entsprechende Erfahrungen fehlen.

• Manche Kinder haben auch in ihren Großfamilien keine Vorbilder, die eine Schule oder eine Ausbildung beendet haben. Es fehlen vorgelebte Lebensentwürfe und entsprechende Selbstentwürfe. (Lösung: Auch Kinder sollte frühzeitig informiert werden wie Schulsystem und Ausbildungssystem funktioniert. Betriebs –und Unternehmensbesichtigungen bereits für Grundschulkinder).

• Viele Eltern sind von der neuen Lebenssituation überfordert. Sie achten nicht darauf, dass ihre Kinder regelmäßig zur Schule gehen. Vielmehr nehmen sie ihre Kinder als Dolmetscher zu den Ämtern und Ärzten mit.

• Einige Kinder verfügen nur über eine schwache Lese- und Schreibfähigkeit und sind nicht daran gewöhnt, die Schule regelmäßig zu besuchen. Sie haben nicht gelernt zu lernen und sind vom Unterrichtsstoff zunächst überfordert.

 

Handlungs- und Problemlösungsansätze

Nachhaltige Integrationen und bessere Schulbildung liegen in den gezielten Fördermaßnahmen zur Gleichstellung.

 

Erforderliche Strukturmaßnahmen:

• Vernetzung, enge Zusammenarbeit und gemeinsame Strategien aller in die Betreuung eingebundenen Träger: Politik, Verwaltung, Kindergarten, Schulen, Kindernotdienst, Polizei, Vereine, Eltern und Schüler,

• Individuelle Förderung und strukturelle Veränderungen, Bündelung und Intensivierung der Aktivitäten,

• Partizipations- und Selbsthilfestrukturen für Eltern, Kinder und Jugendliche aufbauen und anregen. Elternabende in der Herkunftssprache – aus dem Elternabend heraus gewählte Elternvertreter.

• Weiterbildungen für Fachkräfte, um adäquaten Unterricht anzubieten und Kulturtransfer zu ermöglichen,

• Sensibilisierung von Mitarbeitern von Behörden und Ämtern, um Verständnis für  die Betroffenen zu entwickeln, damit Diskriminierungen verhindert werden,

•Überzeugungsarbeit für einen Bildungsaufbruch, sichtbares Engagement von Personen des öffentlichen Lebens für die betroffenen Migranten und ihre individuelle Bildungsförderung, die an die Lebenswelten von der Zielgruppe anknüpft.

 

Notwendige Rechtssicherheit:

• Existenz- und Sozialabsicherung.

•Rechtliche Sicherheit vor Abschiebung und Abkoppelung des Rechts auf den Schulbesuch vom Aufenthaltsrecht.

 

Individuelle Förderungen:

• Adäquate therapeutische Unterstützung und Begleitung bei traumatisierten Menschen.

• Frühkindliche Förderung in einem Kindergarten, um Chancen zu eröffnen und Potenziale zu wecken und zu fördern. Frühzeitig Sprachkenntnisse fördern.

• Stärken des Selbstwertgefühls und Vermittlung von positiver Erfahrungen und die Lernmotivation für den Schulbesuch durch den Einsatz von zusätzlichen muttersprachlichen Lehrkräften.

• Einbeziehung der Eltern und die Berücksichtigung ihrer sozialen und kulturellen Hintergründe, um über ihre Mitwirkung zu erreichen, dass Kinder regelmäßig und pünktlich zur Schule gehen (muttersprachliche SozialarbeiterInnen). Eltern brauchen Angebote, mit denen sie ihre Kompetenz der deutschen Sprache verbessern, über Bildung und Ausbildung in Deutschland informiert werden und deren Bedeutung für die Entwicklung ihrer Kinder erkennen können. Regelmäßige Elterngespräche in Kindergarten und Schule, mehrsprachige Elternabende und Betriebserkundungen für Eltern sind notwendig.

• Gezielte Beratung und Information von Jugendlichen und Eltern über das deutsche Bildungs- und Ausbildungssystem.

• Bildungsanreize/Stipendien, damit die Ausbildung nicht vorzeitig abgebrochen und auch höhere Bildung angestrebt wird.

• Berücksichtigung und Förderung von interkulturellen Kompetenzen in Auswahlverfahren sowie während der Ausbildung durch Zusatzqualifikationen.

• Sonderprogramme zur Unterstützung der Schülerinnen und Schüler ohne nachweisbare Vorbildung (regelmäßiger, erfolgreicher Schulbesuch im Herkunftsland).

• Sicherstellung der Ausbildungsreife der Schulabgänger insbesondere durch stärkere individuelle Förderung.

• Fundierte Berufsorientierung der Jugendlichen in Kooperation von Schulen und Berufsberatung mit externen Partnern insbesondere aus der Wirtschaft.

• Praxisnahe Förderangebote am Übergang von der Grundschule zur Oberschule und von der Schule in Ausbildung.

• Flankierende Unterstützung von Betrieben und Jugendlichen zur Integration auch Leistungsschwächerer in betriebliche Ausbildung

• Ferienschulen, die phantasievoll und den Niveaus der Teilnehmer/innen angepasst während der Oster-, Sommer- und Herbstferien grundlegende Schul- und Vorschulkenntnisse (Deutsch- und Mathematik, motorische Fähigkeiten und soziales Lernen, z.B. Schulregeln) vermitteln können.

• ehrenamtliche Familien-Patenschaften für Kinder, Jugendliche und Eltern, um sie in schulischen Belangen zu unterstützen.

• Das Recht auf Bildung umfasst auch die Pflicht zur Bildung. Die Einhaltung der Schulbesuchspflicht ist unverzichtbar für eine integrative und interkulturelle Bildung und Erziehung aller Schülerinnen und Schüler.

Am Ende der gezielten und bedarsfsorientierten Sondermaßnahmen und der  anschließenden Einbindung in die Regelstrukturen sollte eine gleichberechtigte Teilhabe aller hier lebenden Kinder und Jugendlichen am deutschen Schul- und Bildungssystem stehen.

Rechtlich ist für die Beschulung weder die ethnische Zugehörigkeit noch der aufenthaltsrechtliche Status von Belang. Im Vordergrund steht das internationale, von BR Deutschland anerkannte, Recht auf Bildung, das einem jeden Kind und Jugendlichen zugesichert ist. Die demographische Entwicklung und der steigende Bedarf nach qualifizierten Arbeitskräften belegen, dass es im Interesse  Deutschlands lieget, den neuen Bürgern des eigenen Staates eine gute Ausbildung zu ermöglichen.